Tour | Vogelwelt | Flora | Kulinarisches | Karten/GPS | Furten | Galerie | Index

www.islandtour08.de Kontakt

Kaldidalur-Runde: Þingvellir - Langjökull - Husafell ... (3. Tag)

Routenverlauf
Straßen: 365 - 361 - 52 - (F)550 - 551 - 518 - 50 - 1 - 47 - 48 - 36 - 361 - 365
Stationen: (Laugarvatn -) Þingvellir - Sandkluftavatn - Biskupsbrekka (Bláskogaheiði) - Kaldidalur - Þórisjökull - Geitlandsjökull - Langjökull - Husafell - Hraunfossar - Barnafoss - Reykholt - Seleyri - Borgarfjörður - Hvalfjörður - Laxádalur - Þingvallavatn (- Laugarvatn)
Gesamtkilometer: ca. 300
Straßenzustand: Überwiegend Asphalt; Schotter (für PKW prinzipiell passierbar) auf der Kaldidalur-Route (schon 52, dann vor allem F550 und 551) bis Husafell. auf der 48 (vom Hvalfjörður ins Mosfellsdalur) und streckenweise auf der 365 (Þingvallavatn - Laugarvatn).

 


Heute zeigt er sich!

Wir stehen um 7 Uhr auf. Das ist ganz einfach, weil unsere innere Uhr ja noch immer denkt, es sei schon 9. Frühstück mit Aussicht. Dann Aufbruch. Der Laden an der Tanke hat um viertel vor 9 noch zu. Also ohne Marschverpflegung ab nach Westen. Heute wollen wir Þingvellir noch einmal etwas ausführlicher besichtigen. Das Wetter ist durchwachsen, mit 12 bis 14 °C kommt es uns aber doch schon deutlich wärmer vor als an den letzten Tagen.

Heute zeigt er sich erstmals unter der Wolkendecke hinter dem Laugarvatn: Hekla, einer der aktivsten Vulkane Islands, der mittlerweile schon so lange stillhält, dass die Isländer beinahe täglich mit einem neuen Ausbruch rechnen. Auch die gemessenen Tiefentemperaturen würden darauf hindeuten, dass es demnächst losgehen muss, sagt man uns. In der Speisenkarte des ÍKÍ-Edda Hotels in Laugarvatn annonciert man ungeniert die Möglichkeit, einem eventuellen Hekla-Ausbruch in aller Ruhe vom Abendessen aus zuzuschauen. Reizvoll wär's schon. Andererseits ...

Erster Stopp: Þingvellir

Die Fakten liegen parat: 930 Begründung der ersten quasi-parlamentarischen Versammlung der Welt, des Alþings auf den Þingvellir (Ebene oder Felder des Things), und damit des Freistaats Island. Vom lögberg (Gesetzesfelsen) verkündet der rechtskundige Úlfljótur im Juni erstmals isländisches Recht. Seither alljährliches Treffen aller Stammesfürsten (Goden) im Juni/Juli. 1117 erst wird das Recht kodifiziert, ab 1120 werden die Sagas aufgeschrieben. 1262 gerät Island unter norwegische Herrschaft, aber es finden weiterhin Parlamentsversammlungen in Þingvellir statt. 1380 kommt Island mit Norwegen unter dänische Herrschaft. Das Alþing besteht formal weiter, verliert aber immer mehr an Bedeutung und Einfluss, bis es 1800 ganz aufgelöst wird. 1843 als beratende Körperschaft erneut ins Leben gerufen. 1918 politische Unabhängigkeit, Personalunion mit Dänemark. 1930 findet die Jahrtausendfeier des Alþings in Þingvellir statt. 1940 wählt das Alþing einen isländischen Landesverweser und 1944 wird am 17. Juni auf den Þingvellir die Republik Island ausgerufen.

Die Senke wiederum ist ein Ergebnis der auseinander driftenden Litosphären-Platten. Das ganze Gebiet hat sich seit der Christianisierung um rund 40 m gesenkt und um 20 m verbreitert. In den letzten 9.000 Jahren driftete das Land etwa 70 m auseinander. Das Gelände ist in südwestlich-nordöstlicher Richtung von vielen Rissen und Gräben durchzogen. Im Westen liegt die imposante Almannagjá (Allmännerschlucht) mit ihren steil bis zu 40 m aufragenden Felsen, im Osten die Hrafnagjá (Rabenschlucht). Dazwischen ein weit verzweigtes System weiterer Schluchten, die vielfach mit einem Wasser von bestechender Klarheit angefüllt sind und zu denen unsere Führer mehr oder minder grausige Geschichten zu erzählen wissen. Im Drekkingarhylur, dem Ertränkungspfuhl, sollen - allerdings erst in der Neuzeit - Ehebrecherinnen und Kindsmörderinnen wie Hunde ersäuft, in der Brennugjá (Brennspalte) - ebenfalls im 17. Jh. - neun Männer auf dem Scheiterhaufen wegen Hexerei verbrannt worden sein. Die Nikolásargjá heißt so nach dem besoffenen Wärter, dessen Leiche hier entdeckt wurde. Profaner geht es in der Penningagjá (Pfennigschlucht) zu: Dort werfen viele Besucher Münzen ins klare Wasser. Was sie sich wohl davon erhoffen? Und von wem?

Also eigentlich alles klar. Trotzdem bleibt mir der Ort merkwürdig fremd und stumm, sowohl in seinen historischen als auch in seinen naturräumlichen Dimensionen. Vielleicht liegt es daran, dass aus historischer Zeit nur ganz kümmerliche Reste vorhanden sind, ein paar Steine, die als Fundament einer Hütte gedient haben mögen. "Museumspädagogische" Vermittlungsbemühungen und Imaginationshilfen, wie wir sie von Großbritannien kennen, gibt es allenfalls in Ansätzen. Der annoncierte Kulturraum ist in erster Linie als Naturraum wahrnehmbar. Vielleicht liegt es aber auch bloß am Wetter, das sich zusehends verschlechtert. Die Almannagjá erinnert mich streckenweise ein wenig an den Graben der Würzburger Festung. Das hilft immerhin, sich dort die Stände und Buden der Gaukler und Jahrmarktschreier vorzustellen. Dort, in der Wiese unter dem steil aufragenden Felsen, finden wir die farbenprächtige Mischung von Storchschnabel und Hahnenfuß, die Hjalldor Laxness im "Weber von Kaschmir" (der ganz in der Nähe einen seiner Hauptschauplätze hat) beschreibt.

In der weiten Ebene ist es recht feucht. Das merkt man auch an den vielen Mücken, die uns hier erstmals umschwirren. Vögel fallen uns auf, die im Sturzflug ein tuckerndes Geräusch von sich geben, das ein wenig nach Maschinengewehr, aber eher nach einem Plastik-Spielzeug-Imitat klingt. Es sind Bekassinenmännchen, die beim Balzflug dieses "meckernde" Geräusch mit speziellen Schwanzfedern erzeugen. Die Bekassine ist eine Schnepfenart, ein Watvogel mit schnepfentypisch langem Schnabel. Das Meckern hat ihr den Spitznamen "Himmelsziege" eingebracht. Fotografierversuche scheitern: die Kamikazes sind ganz schön fix unterwegs. Anderen Fotografen und Videofilmern scheint es ähnlich zu gehen. Unter den mehr als zwanzig Videos zu Bekassinen, die man in der Internet Bird Collection ansehen kann, ist jedenfalls nicht eines, das den Meckerflug zeigt.

 

Im Norden, wo wir hinwollen, sieht es regnerisch aus, so sehr, dass wir kurzfristig sogar überlegen, stattdessen in den Süden auszuweichen. Aber erst mal gibt es einen Kaffee in der Infostube am Campingplatz von Þingvellir. Gut sortiert, was Bücher und Gebäcke anbelangt. Literatur auch auf Deutsch und Englisch. Wir erstehen Bestimmungsbücher und ein wenig Lektüre, darunter die Edda. Vielleicht hilft sie, unsere Imagination zur Landnahmezeit etwas zu befeuern?

Ins Kaldidalur und zum Langjökull

Gottlob haben wir uns vom Wetter nicht abschrecken lassen und sind dann doch nach Norden aufgebrochen. Das Wetter wird dort nämlich zusehends besser. Von Regen keine Spur mehr. Vom Café aus nehmen wir wieder die neu gebaute Straße 52 Richtung Norden. Am Sandkluftavatn treibt der Wind wieder sandige Böen durchs Tal. Der mächtige Schildvulkan Skjaldbreiður (1060 m) ist im Dunst kaum auszumachen.

Bei Biskupsbrekka erreichen wir die Abzweigung zur Strommastenstrecke, die wir gestern gefahren sind. Wie üblich ist die Route nach Osten zur Haukadalsheiði und zum Tungufljót bestens ausgeschildert.

Mitten in der Hochlandeinsamkeit weisen aber auch immer wieder Schilder auf Berge und Gletscher eigens hin.

Am Fanntofell vorbei steigt die Schotterpiste langsam zum Kaldidalur hin an. Bald spitzen die Vorberge des Þórisjökull im Osten und der Vulkanberg Ok im Westen über die Hügel.

Die Schotterstrecke ist mal besser, mal schlechter, aber immer problemlos zu fahren. Im Osten ist Gletscherparade (vrnl): Þórisjökull, Geitlandsjökull und Langjökull, zu dessen Gletschersystem auch die beiden ersten zählen, umgeben bzw. gegliedert von den Erhebungen Prestahnúkur (1226 m), Syðra (1069 m) und Nyrðra Hádegisfell (865 m).

Weiter nördlich, am Ausgang des Kaldidalur, nehmen wir die Abzweigung der F551, die unmittelbar bis hinauf an den Gletscher zu einem Snowscooterstandort führt, der um diese Zeit verlassen daliegt. Man erreicht dabei eine Höhe von knapp über 800 Metern. Es wird beißend kalt; +6 °C zwar, aber der kräftige Wind friert einem die Hände sofort durch. Das letzte Stück von der verlassenen Hütte bis hinauf an den Rand des Gletschers ist mit fußballgroßen Lavabrocken übersät; der Toyota steigt brav über sie hinweg.

R auf dem Langjökull - Ein Blick nach Süd-Süd-West zum Geitlandsjökull. Die kegelförmige Erhebung ist der Berg Syðra Hádegisfell.

Weiter nach Norden bis Húsafell

Zurück an der F550 folgen wir der Route weiter nach Norden Richtung Húsafell. Nach Osten hin dehnt sich das Lavafeld Geitlandshraun. Die Geitá begleitet uns ein gutes Stück. Langsam geht die Landschaft von der Lavawüste wieder in begrüntes Land über.

Kurz bevor sie am Berg Tunga (437 m) in die Hvitá mündet, die vom östlich gelegenen Hafrafell herkommt, bahnt sich die Geitá ihren Weg durch ein Basaltlavafeld.

Dann ist bald der Ort Húsafell erreicht. Dort soll es einen Laden geben. Wir finden nur den kleinen Shop am Campingplatz und kaufen Brot und Harðfiskur, trinken einen Milchkaffee.

Das kleine Kirchlein von Húsafell.

Wasser marsch: Barnafoss und Hraunfossar

Nur ein paar Kilometer hinter Húsafell und von einem Parkplatz an der 518 aus gut zu erreichen liegen die "vielleicht schönsten Wasserfälle" Islands: die Hraunfossar (Lavawasserfälle) und gleich nebenan der Barnafoss (Kinderwasserfall, Bild rechts), der so heißt, weil dort einmal zwei Kinder vom nahe gelegenen Gehöft Hraunsás, als ihre Eltern sie an Weihnachten alleine zu Hause zurückließen, von einem heute nicht mehr vorhandenen natürlichen Steinbogen über den Wasserfall hinuntergestürzt und ertrunken sein sollen. Die Mutter ließ darauf hin den Steinbogen einreißen.

Die Hraunfossar sind nicht etwa wegen ihrer gewaltigen Fallhöhe oder ihrer übermächtigen Wasserfracht berühmt. Ganz im Gegenteil. Hier geht es eher subtil zu. In Hunderten von feinen Kaskaden ergießen sich hier gleich mehrere nördliche Zuflüsse mitten durch Gras und Heide über das gestufte Gelände des (wasserdurchlässigen) Lavafeldes Gráhraun hinunter in die Hvitá. Von eigens angelegten Plattformen aus hat man besten Ausblick auf die Wasserspiele und das fulminante Grün der (angeblich ja weißen) Hvitá.

Badevergnügen à la Snorri in Reykholt

Von den reißenden Wassern aus folgen wir weiter der 518. Wir werfen noch einmal einen Blick zurück nach Osten, wo sich über Lang- und Eiríksjökull dunkle Wolken zusammenballen.

10 km weiter, in Reykholt, suchen wir ein ganz besonderes Warmbad: das Snorralaug von Snorri Sturlusson (1179 - 1241), dem Dichter und Sammler der Prosa-Edda, das sich aus historischer Zeit bis heute erhalten haben soll (und damit eines der ältesten baulichen Zeugnisse Islands überhaupt wäre). Wir finden es gut versteckt und (1959) ansprechend restauriert unmittelbar hinter der Bezirksschule, vor der eine Snorri-Statue steht.

Das kleine Bad, von der 120 m entfernt sprudelnden heißen Quelle Skrifla mittels unterirdischer Rohrleitungen beheizt, hat sogar Eingang in die Literatur gefunden. Es wird im Landnahmebuch und in der Sturlunga saga erwähnt. Einladend sieht es schon aus, aber so einfach in ein fremdes Bad tauchen, dazu sind wir dann doch zu gschamig.

Kurzer Imbiss am Borgarfjörður

Hinter Reykholt trifft die 518 auf die Straße 50, die in südwestlicher Richtung bis zur Ringstraße führt. Wir erreichen sie südlich von Borgarnes, das wir in der Ferne jenseits des Borgarfjörður liegen sehen.

Es ist kurz vor 17 Uhr. Am schwarzen Strand von Seleyri halten wir eine kurze Snackpause. Trockenfisch mit Butter erweist sich als überaus leckerer Imbiss! Dann folgen wir weiter der Ringstraße in südlicher Richtung.

Die Ringstraße mit dem Hafnarfjall zur Linken.

Rund um den Hvalfjörður

Den kostenpflichtigen Tunnel bei Akranes wollen wir vermeiden. Also biegen wir stattdessen bei Melahverfi nach Osten auf die Straße 47 ab und fahren beinahe ganz rund um den Hvalfjörður herum. Seit die Ringstraße hier nicht mehr entlang führt, ist der Fjord in einen reichlich trostlosen Dämmerschlaf gefallen.

Nach der Umrundung des Reynivallaháls nehmen wir die Straße 48 nach Südosten, die uns über die Berge zur Mosfellsheiði und zur Straße 36 und somit letzten Endes wieder zurück nach Þingvellir führt. Das Wetter wird jetzt doch zusehends schlechter. Es regnet, ein heftiger Wind kommt auf. Wir nehmen etwas lustlos die gleiche Route wie am Vortag: Über die 365 durch die Lyngdalsheiði.

Zurück am Hotel in Laugarvatn

Gegen 18 Uhr sind wir zurück am Hotel. An der Tanke wollen wir nicht noch einmal essen. Ein paar hundert Meter weiter haben wir eine Grillbar etwas abseits der Straße entdeckt. "Fried fish" und "Chickenburger de luxe (?)", dazu Pommes frites, anschließend ein riesiges Softeis mit Schokoüberzug - macht zusammen 5000 Kronen (etwa 45 Euro). Wir beschließen, künftig dann doch lieber noch ein wenig tiefer in die Tasche zu greifen und wieder im Restaurant zu essen.

Derweilen lässt der Regen schon wieder nach, aber der Wind heult nach wie vor um die Dächer. Immerhin: Später am Abend zeigt sich wieder viel Blau am Himmel.

 


Seitenanfang - Vorhergehende Seite - Tourenübersicht - Nächste Seite