Nach Süden: Vík í Mırdal (12. Tag)
Routenverlauf
Straßen: 26 - 32 - 327 - 32 - 30 - 1 - 252 - 255 - 1 - 249 - 1 - 218 - 1
Stationen: Hrauneyjar - Stöng - Hjálparfoss - Þjórsá-Tal - Hella - Hvolsvöllur - Sigluvík - Seljalandsfoss - Dyrholaey - Vík í Mırdal
Gesamtkilometer: ca. 262
Straßenzustand: (F)26 Schotter, alle übrigen Hauptstrecken, insbesondere die Ringstraße, asphaltiert. Stichstraßen im einzelnen allerdings teilweise schwierig. Zufahrt nach Stöng (327) in ziemlich schlechtem Zustand. Die Zufahrt zum Aussichtspunkt Dyrholaey (218) ist geschottert und mit groben Schlaglöchern übersät, im letzten Abschnitt ausgesprochen steil und engkurvig; wir haben Fahrer mit PKWs dort scheitern sehen und zusehen dürfen, wie direkt vor uns die Kupplung eines isländischen Wohnanhängers abgerissen ist, andererseits klettern isländische Busse mühelos hinauf (was auch sonst ;-).
Aufbruch
Blauer Himmel, als ich um halb sieben aufstehe. Frühstück wie gehabt, heute allerdings mit Orangensaft and a bunch of rather unmannered Americans, die in Windeseile alles leerfressen, als hätten sie seit Tagen nichts mehr zu essen bekommen. 68000 Kronen wechseln ihre Besitzer. In Hrauneyjar tanken wir voll - man darf an der Kasse bar bezahlen. Die Mücken sind seit gestern nicht weniger geworden.
Für heute abend sind wir im Edda-Hotel in Vík í Mırdal eingebucht. Wege dorthin gibt es mehrere. Wir überlegen, ob wir die Hochlandstrecke von gestern noch einmal fahren sollen, dieses Mal eben bis zur Eldgjá und darüber hinaus. Das Wetter ist (noch) schön. Wir sollten es ausnutzen. Andererseits haben wir einen großen Teil dieser Strecke gerade erst befahren und werden ihn zusammen mit J und A noch einmal fahren. Die Route genau nach Süden, also eng am Mırdalsjökul entlang über Þórsmörk, trauen wir uns wegen der berüchtigten Furten nicht wirklich zu. Also entscheiden wir uns für eine Route unter weitgehender Umgehung des Hochlandes: In einem weiten Bogen westlich um den Mırdalsjökul herum. Dabei wollen wir auch einmal die breite Küstenregion etwas genauer unter die Lupe nehmen.
Auf der 26 nach Südwesten
Wir nehmen die gleiche Strecke, die wir gestern abend gekommen sind: die (F)26 nach Südwesten. Hekla begleitet uns schneeglänzend eine ganze Weile. Noch immer keine Anzeichen eines Ausbruchs.
Allerdings biegen wir in den Árskógar auf die Straße 32 ab, halten uns also dieses Mal an das westliche Ufer der Þjórsá. Die Abzweigung der 26 liegt mit ihren rotverfärbten Buckeln unter einem sanft verstrichenen Wolkenblau.
Am Bjarnalón wendet sich die Straße nach Westen. In ausladenden Serpentinen geht es zwischen Skeljafell und Búrfell in die weite Ebene des Þjórsárdalur hinunter. Im Talgrund nehmen wir rechts die Straße 327, die zu einem archäologischen Highlight führt:
Der Wikingerhof Stöng
An der Furt kurz vor der Anhöhe Stöng ist Schluss, also ein kleiner Parkplatz. Das Flüsschen wird auf einer Fußgängerbrücke überquert. Von dort sieht man auch schon Dächer über die Hügel spitzen.
Isländische Archäologen haben hier im Þjórsá-Tal in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts acht alte Höfe aus der Vulkanasche ausgegraben. Man geht davon aus, dass die Höfe bei dem Hekla-Ausbruch im Jahr 1104 verschüttet wurden, der einer der heftigsten Ascheausbrüche in der bekannten isländischen Geschichte gewesen ist. Die Hekla liegt von hier nur rund 18 km entfernt im Südosten.
Þjóðveldisbærin, einer der Torfhöfe, wurde gesichert und ist zugänglich, alle anderen wurden wieder "zugedeckt", wie es in heiterem Deutsch auf einer Infotafel heißt. Außer einem Langhaus, dessen Überbleibsel man zu Besichtigungszwecken überdacht hat, sind Reste drei kleiner Torfrasenhäuser, der Kirche und des Friedhofs, zweier Schmieden und zweier Nebengebäude ans Tageslicht gekommen.
Die Größe des Langhauses überrascht mich dann doch (Nur zur Erinnerung: Wir betrachten einen Hof aus dem Jahr 1104): Es ist 12 Meter lang und knapp 6 Meter breit. In der Mitte hat man sich die zentrale Feuerstelle, den Kochherd, an der Nordseite (auf dem Foto links) in angebauten Alkoven Bett und Sitz des Herrn, gegenüber getrennte (naja, rein räumlich gesehen getrennte) Frauen- und Männerquartiere vorzustellen. Mehrere Anbauten erweitern den Hof: Im Nordosten ein Toilettentrakt mit Abflussrinnen, im Nordwesten ein Vorratsraum, im Westen die gute Stube, die "stofa", mit Bänken, Tischen und eigenem Herdfeuer. All das errichtet aus Torfmauern und Grassoden. Es muss für seine Zeit und seinen Ort ein recht prachtvoller Hof gewesen sein.
Wieder mal Sturzgewässer: Hjálparfoss
Kehrt man von Stöng aus zur Straße 32 zurück, so liegt gleich schräg gegenüber, noch vor der Brücke über die Fossá, die Zufahrt zu einem weiteren isländischen Wasserfall, dem Hjálparfoss. Sie ist im Mittelteil ein wenig steil und schmal, und genau da haben einen modernen isländischen Reisebus die Kräfte verlassen. Der Toyota nimmt den kleinen Ausflug ins Grobe gelassen. Die Businsassen haben sich im Wasserfallgelände ausgebreitet und diskutieren ihr Schicksal.
Neun Meter tief stürzen die Arme der Fossá in einen nahezu runden Basaltkessel.
Jetzt aber an die Südküste (oder auch nicht)
Nach diesem Stopp nehmen wir Fahrt auf. Die 32 folgt weiter grob dem Verlauf der Þjórsá in westlicher Richtung. Bei Sandlækjarkot stoßen wir auf die Straße 30 und biegen dort, weiter der Þjórsá, nun in südwestlicher Richtung folgend, links ab. 15 Kilometer östlich von Selfoss erreichen wir die Ringstraße und biegen nach Süd(ost)en ab. Wir passieren Hella und Hvolsvöllur. Bald darauf, unmittelbar nach dem Übergang über die Þyerá, verlassen wir die Ringstraße in westlicher Richtung. Wir biegen auf die Straße 252 ab. Vestur-Landeyjar, die 'westlichen Landinseln', liegen vor uns, ein weiträumiges Marschland mit Viehweiden, bereits jetzt gemähten Wiesen und vereinzelt eingestreuten Gehöften; etliche davon sind als Zuchthöfe für isländische Pferde kenntlich.
Eigentlich wollten wir versuchen, bis zur Sanderküste vorzudringen, aber es bleibt beim Versuch. Stattdessen lernen wir, wie man in Island die Begrenzungsbaken am Straßenrand einsetzt: Indem man mit dem Pickup die Piste entlang fährt, in mehr oder minder regelmäßigen Abständen anhält, dann mit einem aggregatgetriebenen, gewaltigen Bohrhammer die schwertscheidenförmige Halterung tief in den Boden treibt und schließlich darin das gelbe Zeigerding einfach einrastet. Einfach, aber wirkungsvoll.
Scheunen und Stallungen aus Wellblech fallen uns in die Augen. Fraglos und lapidar stehen sie im Raum, monolithische Blöcke.
Kein Quadratzentimeter nutzbaren Weidelandes bleibt ungenutzt. Islandpferde sieht man auch höheren Orts, Kühe dagegen nur hier im flachen, sonnenwarmen, grasfetten Marschland.
Erstaunt registrieren wir, dass die hier wiederkäuende Rinderrasse auch marmorierte Felle hervorbringt. Als sei die Kuh ganz in Wurzelmaser eingekleidet. Sehr apart!
Aber auch Wildtiere nutzen den grünen Segen des flachen Küstenstreifens. Ein Singschwan führt unweit vom Skúmsstaðavatn seinen Nachwuchs aus.
Als wir auf Südroute wieder zurück zur 255 fahren, erhaschen wir wenigstens in der Ferne einen Blick auf die Westmänner-Inseln Vestmannaeyjar. Näher kommen wir ihnen für dieses Mal leider nicht.
Der Seljalandsfoss
Schließlich kehren wir zur Ringstraße zurück und fahren weiter nach Südosten. Gleich nach der langen Brücke über den breiten Markarfljót (der uns in den kommenden Tagen noch eingehend beschäftigen wird), sieht man schon aus der Ferne links den Seljalandsfoss liegen.
Rund vierzig Meter tief stürzt das Wasser hier über eine Kante der Seljalandsheiði. Man kann, wenn man mag, hinter dem Wasserfall hindurchgehen. Wer dabei nicht an Regenkleidung gedacht hat, kommt auf der anderen Seite reichlich geduscht wieder zum Vorschein. Wir nutzen die etwas abseits angebotenen Toiletten und halten eine Mittagsrast, u.a. mit dem leckeren Bachsaibling von Landmannalaugar. Mittlerweile ziehen wieder dichtere Wolken auf.
Anschließend geht es weiter auf der Ringstraße, immer an der Kante des Eyjafjöll entlang, durch einen mal breiteren, mal schmaleren Küstenstreifen, von dessen landwirtschaftlicher Bedeutung die allenthalben verstreuten Gehöfte zeugen. Dort, wo sich der Küstenstreifen gegen Ende des Eyjafjöll zum schwarzen Skógasandur weitet, böte sich ein weiterer Wasserfall an: Skógafoss. Den lassen wir aber für heute erst mal links liegen (und holen ihn dann auf der Rückfahrt nach).
Papageientaucher bei Dyrhólaey
Wenige Kilometer vor Vík í Mırdal zweigt nach rechts eine kleine und partout nicht feine, sondern grobschotterig-schlaglöchrige Piste mit der Nummer 218 ab, die im Mai und Juni wegen der dort allenthalben brütenden Vögel gesperrt, jetzt aber allgemein passierbar ist. Wir halten uns an der Lagune Dyrhólaós rechts und fahren den steilen Berg zum Ausssichtspunkt hinauf. Dort oben kann man eine Vielzahl von Papageientauchern nicht nur in der senkrecht abfallenden Wand sitzend, sondern auch beim Flitzeflug mit leicht gegrätschten, orangefarbenen Beinen beobachten.
Es heißt immer wieder, die Papageientaucher seien tölpelhafte Flieger. Das kann man so nicht einfach stehen lassen. Sie mögen ja beim Landen öfter mal auf die Nase purzeln und auch sonst ganz drollige Kerle sein, aber wie sie da, ein Fischlein im Schnabel, ihre felsnahen Runden im stürzend kraftvollen Flug abschnurren, das hat schon seinen ganz eigenen Reiz. Dass die putzigen Kerlchen ganz nebenbei zu den klassischen, isländischen Delikatessen gehören, wird vielleicht nicht jedermann schmecken - uns hat es gleichwohl bestens gemundet.
Ebenfalls dort oben auf der Anhöhe wenigstens von außen zu besichtigen ist der Leuchtturm von 1927, dieses Mal fast ganz ohne das sonst so fotogene Orange in schlichtem Weiß gehalten.
Und wenn man am Leuchtturm vorbei ein paar Schritte den Hügel hinunter geht, dann schaut man hinüber auf das Felsentor, das dem Flecken Dyrhólaey, das heißt 'Türhügelinsel', seinen Namen gab.
Dort brüten und hausen, fein säuberlich in Reihen auf ihrem Guano hingebreitet, die Dreizehen-Möwen.
Ankunft im Edda-Hotel Vík
Von Dyrhólaey ist es jetzt nur noch ein Katzensprung nach Vík í Mırdal. Auch das Edda-Hotel ist rasch gefunden - Vík ist ein überschaubarer Ort. Man weist uns in eine der etwas abseits stehenden Hütten ein. Einen Moment, aber wirklich nur einen Moment, geben wir uns der Hoffnung hin, die ganze Hütte sei für uns. Aber natürlich sind es Doppelkabinen mit gemeinsamer Loggia. Das Zimmer nicht üppig, aber ausreichend, dazu eine Nasszelle, deren Ventilator uns noch beschäftigen wird.
Ein hauseigenes Restaurant gebe es nicht, hatte man uns an der Rezeption erklärt. Stattdessen empfehle man das Restaurant gleich auf der anderen Seite der Wiese, dort drüben Richtung Meer, und zwar auf der Rückseite des Tankstellen-Grills. Auf Restaurant haben wir aber heute keine Lust. Also gehen wir in den Grill und essen Burger mit Fritten (12 Euro) bzw. Tageseintopf (10 Euro).
Es ist deutlich kühler geworden. Nach der Stille in Hrauneyjar umschwirrt uns hier wieder das Geschrei der Vögel. Dafür gibt es keine Mücken mehr. Im Gras vor unserer Hütte beäugt uns zur guten Nacht ein Austernfischer und turnt dabei auf einem Bein.
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